Stellen wir uns eine Fabrik vor, die auf ihrem Dach und auf ihren Fassaden mehr als 200.000 Photovoltaikzellen installiert hat und mehr Energie erzeugt als sie verbraucht. All das – und noch einiges mehr – findet sich schon heute bei der Alois Müller GmbH, einem Anbieter von Heizungs-, Kühl- und Lüftungsanlagen aus Schwaben.
An 320 Tagen im Jahr erzeugt diese Fabrik ihren gesamten Strom-, Kälte- und Wärmebedarf selbst. Nur an 45 Tagen im Jahr sind externe Energielieferanten gefragt – das ist ein Wert, der nicht nur in dieser Branche, sondern generell in der deutschen Wirtschaft eine absolute Ausnahme darstellt. Oft produziert diese Fabrik sogar so viel Energie, dass die Nachbarfirmen mitversorgt werden können. Wenn das kein Paradebeispiel für effiziente Energienutzung ist, was dann?
Die Reise zu dieser Geschichte begann letzten Winter, als Jörn und ich uns auf den Weg nach Schwaben machten, um die Werkshallen der Alois Müller GmbH zu erkunden. Das Unternehmen spezialisiert sich auf den Bau von Heizungs-, Kühl- und Lüftungsanlagen, hauptsächlich für mittelständische Industriekunden, wie z.B. Liebherr. In ihren Werken dominieren Metallverarbeitungsprozesse – doch auch für Beleuchtung, Heizung, Drucklufterzeugung und Computertechnologie wird Energie benötigt.
Unser Gastgeber und der Geschäftsführer des Unternehmens, Andreas Müller, erklärte uns seine Vision einer wahren Energiewende. Im Kern geht es darum, nicht nur Wohnhäuser, sondern auch Industrieanlagen zu 100 % mit erneuerbaren Energien zu versorgen – und das bereits heute. Andreas Müller nimmt kein Blatt vor den Mund: „Das ist die ehrliche Energiewende. Keine Ölheizung versteckt hinter einem Busch. Wir stehen zu 100 % hinter unserem Konzept.“
Die meisten Leute denken bei erneuerbaren Energien an Eigenheime mit Solarpanels. Doch die Alois Müller GmbH beweist, dass auch eine komplette Industrieanlage autark sein kann. Unser Besuch vor Ort hat uns Hoffnung gemacht. Diese Firma zeigt, dass die Probleme unserer Zeit lösbar sind. Sie geht mit gutem Beispiel voran und zeigt anderen Unternehmen, wie man sich komplett mit erneuerbaren Energien versorgen kann. Um seinen Bedarf zu decken und gleichzeitig so wenig Energie wie möglich einzukaufen, setzt das Unternehmen auf die Maximierung der Eigenproduktion. Hierzu bedecken sie sämtliche Dächer mit Photovoltaikanlagen und erzeugen so viel Strom aus Sonnenenergie wie möglich.
Die erzeugte Energie wird jedoch nicht nur für den direkten Verbrauch genutzt, sondern dient auch als Bindeglied zu anderen Energieformen durch ein Konzept namens „Sektorenkopplung“. Sektorenkopplung bedeutet, dass die erneuerbare Energieerzeugung mit Produktionsprozessen und Gebäudetechnik zusammen arbeiten sollen. Durch den cleveren Einsatz von Strom können die Umgebungswärme mit einer 300 kW Wärmepumpe und Kälte durch drei Kühlbrunnen erschlossen werden.
Ein weiterer Aspekt ihrer Energiestrategie ist die Speicherung von überschüssiger Energie für spätere Nutzung. Hierfür setzen sie nicht nur auf Batteriespeicher, sondern nutzen zudem Wärmespeicher, die nur dann beheizt werden, wenn alle anderen Verbraucher bereits ausgelastet sind und immer noch ein Stromüberschuss herrscht.
Aber die Innovationen hören hier nicht auf. Ein zusätzlicher Speichermechanismus ist die Trennung von Stickstoff und Sauerstoff aus der Luft, wobei der Stickstoff in speziellen Behältern eingelagert wird. Die Nutzung dieser getrennten Gase bietet zusätzliche Flexibilität und reduziert die Abhängigkeit von externen Lieferungen technischer Gase.
Unsere Reise durch die Werkshallen offenbarte nicht nur technische Innovationen, sondern auch eine Kultur des Bewusstseins und der Verantwortung. Beispielsweise hilft die Einführung von CO₂-Ampeln den Mitarbeitenden zu entscheiden, wann energieintensive Prozesse gestartet werden sollten, basierend auf der aktuellen Energieverfügbarkeit.
Klar ist: Der Weg zur Nachhaltigkeit ist keine Einbahnstraße. Andreas Müller teilt seine Erkenntnisse und Innovationen offen mit anderen Unternehmen. Durch das transparente Vorzeigen von Erfolgsgeschichten und Lösungen wird eine Gemeinschaft von nachhaltig denkenden Unternehmern gefördert, die gemeinsam anstreben, echte Veränderungen in der Industrie herbeizuführen.
Das komplette Interview mit Andreas Müller könnt ihr übrigens ab Freitag in unserem Podcast nach hören.
Die Antwort ist ein klares Ja.
Durch die eigene Energieproduktion und die Versorgung von Nachbarfirmen mit Überschussstrom hat das Unternehmen seine Energiekosten deutlich gesenkt und sich neue Einnahmequellen erschlossen. Die Investition in grüne Technologien zahlt sich nicht nur in Bezug auf die Energieeffizienz, sondern auch wirtschaftlich aus. Andreas erzählt uns, die Mehrkosten für eine grüne Fabrik belaufen sich auf etwa 10 %. Das lohnt sich bereits nach 5 bis 6 Jahren, wobei er mit einem Schmunzeln ergänzt, dass es bei den heutigen Energiepreisen wohl schon nach 1 bis 2 Jahren amortisiert ist. Diese Fabrik ist ein Paradebeispiel dafür, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit kein Widerspruch sein müssen.
Mit modernster Technologie und einer klaren Vision für die Zukunft zeigt sie, wie Industrieunternehmen einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende leisten können. Die Alois Müller GmbH ist mehr als nur ein Industriestandort; sie ist ein Leuchtturmprojekt, das den Weg für eine grünere, nachhaltigere Zukunft weisen könnte.